Am 21. Januar 2009 erfüllte Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger) die Forderung der Anhänger des abtrünnigen Erzbischofs Marcel Lefebvre und hob die Exkommunikation des Meisters und der vier 1988 auf eigene Faust geweihten Bischöfe auf. Einer von ihnen ist der bekennende Holocaustleugner Richard Williamson.
Skandalös sind nicht nur die Auftritte von Richard Williamson. Seine Vorträge mit Verschwörungsmythen in Bezug auf Freimaurer und Juden, auf den 11. September und auf die Shoah kursieren seit Jahren im Internet; man braucht nur auf der Videoplattform youtube seinen Namen einzugeben.
Williamson und wenige Getreue aus dem ganz harten Kern werden sich voraussichtlich nicht auf eine Einigung mit dem Vatikan einlassen. Der Rest, und das ist die große Mehrheit, wird sich vielleicht sogar irgendwann scheinheilig von ihm distanzieren (auch wenn man vorerst das schwedische Fernsehen als wahren Übeltäter ausgemacht hat, das „Bischof“ Williamson weltliche Fragen gestellt hat).
Aber auch die übrigen Anhänger Lefebvres fordern die Rückkehr zum absoluten Wahrheitsanspruch der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts. Zu dieser „Wahrheit“ gehört ausdrücklich der christliche Antijudaismus in seiner krassesten Ausprägung. Der soll nicht nur rehabilitiert werden, sondern er sei Pflicht für jeden Katholiken. Mit Antisemitismus habe das nichts zu tun, wenn man darunter ausschließlich den Rassen-Antisemitismus der Nazis versteht.
Die Forderung nach mehr christlichem Antijudaismus wurde in den letzten Monaten von den Lefebvristen immer wieder ganz besonders hervorgehoben. Das hat die Entscheidung des Papstes aber nicht beeinflusst. Zumindest nicht zum Negativen.
Im Dankesbrief des Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X, Bernard Fellay, an den Papst ist vom „Rauch Satans“ die Rede, der in die Kirche eingedrungen sei. Außerdem heißt es dort: „Wir sind bereit, das Glaubensbekenntnis mit unserem eigenen Blut zu schreiben, den anti-modernistischen Eid zu leisten, das Glaubensbekenntnis Pius´ IV (…)“.
Vor etwas mehr als einem Jahr veröffentlichte der Distriktobere der deutschen Lefebvristen, Franz Schmidberger, der organisationsintern als „gemäßigt“ gilt, einen Grundsatzartikel, in dem er darlegte, wie ein christlicher Staat in der Gegenwart auszusehen hätte: ein Ständestaat ohne gleiches Wahlrecht, Abschaffung von Gewerkschaften und Streikrecht zugunsten korporatistischer Strukturen, Verbot der Freimaurerlogen, Verbot aller Religionsgemeinschaften außer der lefebvristisch gewendeten katholischen Kirche (allenfalls eine vorübergehende Duldung nach den Grundsätzen der Klugheit sei möglich, „da es nur eine wahre, von Gott gestiftete Religion gibt“), Verbot der Ehescheidung, Verbot der Abtreibung und Verbot von Verhütungsmitteln, Einführung der Todesstrafe; – die Liste der geforderten Verbote ließe sich noch lange fortsetzen. Ich vermute, ihm schwebt als idealer Staat so etwas vor wie die Franco-Diktatur oder das Argentinien unter General Videla.
Wenn solche offen antidemokratischen Positionen Bestandteil der katholischen Kirche werden, haben nicht nur Juden ein Problem. Das wird in den meisten deutschen Zeitungskommentaren ausgeblendet. Stattdessen macht man sich Sorgen um die geplante Israel-Reise des Papstes.