loslassen

Graffito let go., DU-Wanheimerort, Foto (c) Hafenstaedter 2012
"let go." Graffito, DU-Wanheimerort, 2012

Dieses Sprühschablonen-Graffito findet der aufmerksame Beobachter (vielen Dank an Margarete Unverzagt für den freundlichen Hinweis!) in Duisburg-Wanheimerort am ehemaligen Luftschutzbunker Eschenstraße, Ecke Nikolaistraße.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich um eine bekannte Protestikone: der einsame, mutige, starke Streetfighter (fast immer männlich), der vor der Front einen Stein oder einen Brandsatz in Richtung der übermächtigen Polizei schleudert. In solchen Abbildungen vermengen sich Ästhetisierung von Gewalt, männliches Gepose aber auch das Motiv David gegen Goliath.

Bemerkenswerterweise wird von der Gegenseite, also z.B. von der BILD-Zeitung, genau dasselbe Bildmotiv verwendet, um bei den Lesern Bedrohungsgefühle zu wecken. Der im Foto festgehaltene zeitlich und räumlich eng begrenzte Moment wird aus dem Kontext gelöst und zum Symbol vermeintlicher bürgerkriegsähnlicher Verhältnisse gemacht. Auch hier findet eine Ästhetisierung der Gewalt statt. Oft werden in den Hintergrund brennende Fahrzeuge montiert, bei denen man mit Photoshop nachhilft, damit die Flammen schön kräftig orange lodern und der Qualm schön schwarz gen Himmel steigt. Oft habe ich den Eindruck, dass in Deutschland am Rande der im Vergleich zu anderen Ländern sehr, sehr friedlich ablaufenden Demonstrationen nur deshalb Autos angezündet werden, um beiden Seiten solche Bilder zu liefern.

Doch zurück zu unserem Graffito. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass es sich bei der abgebildeten Person nicht um den allseits bekannten Streetfighter handelt, sondern dass mit diesem Motiv nur gespielt wird. Seine Körperhaltung ist nicht die eines Werfers. Er fängt etwas auf, oder er versucht etwas mit Gedankenkraft zu steuern, oder er lässt etwas los. Die Bildunterschrift „let go.“ deutet auf letztere Variante.

Doch was wurde da losgelassen? Es schwebt vor der Person in der Luft, aber es ist nicht genau zu erkennen. Handelt es sich vielleicht doch um den Brandsatz der Protestikone? Dann züngeln die Flammen aber in die falsche Richtung und der Brandsatz fliegt auf die Person zu. Ist die abgebildete Person ein Wahnsinniger, der glaubt, einen brennenden Molotowcocktail lässig im Fluge auffangen zu können? Nein, es muss sich um einen anderen Gegenstand handeln. Wahrscheinlich überlässt der Künstler das der Phantasie des Betrachters.

Ich meine jedenfalls, wir sehen dort eine schwebende, spitze Schreibfeder. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass mir persönlich der Kampf mit der Feder sehr viel mehr zusagt als der Kampf mit den Fäusten.

Von Banksy gibt es übrigens auch eine ganze Reihe von verfremdeten Streetfighter-Ikonen. Bei ihm werfen die Straßenkämpfer mit Blumensträußen. Doch sowas darf man vielleicht in England. In Deutschland würde ein Blumenwurf in Richtung gutgepanzerter Polizisten sicher als Mordversuch gewertet.

Banksy

Wer sich mit politischer Graffiti-Kunst beschäftigt, stößt früher oder später auf Banksy. Und wem dieser Name nichts sagt, der sollte seine Wissenslücke schleunigst schließen.

Banksy ist das Pseudonym eines Graffitikünstlers, der vermutlich 1974 in Bristol geboren wurde und seit Ende der 1980er Jahre aktiv ist. Viele seiner Arbeiten sind inzwischen weltweit bekannt, und auch Graffiti-Künstler aus der Hafenstadt sind von Banksy beeinflusst.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
If graffiti changed anything – it would be illegal

Diese Arbeit nimmt Bezug auf die anarchistische Parole „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten“, die übrigens ursprünglich von Emma Goldman stammt.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
This’ll look nice when its framed

Aussage und Wirkung von Kunst ändern sich mit dem Kontext. Das trifft auch auf Banksys Arbeiten zu. So ist sein Mädchen mit davonfiegendem Luftballon auf einer Mauer in einem „Stadtteil mit erhöhtem Erneuerungsbedarf“ ein politisches Statement, gerahmt in einem Museum aber ziemlich banal und als Abbildung auf einer Sammeltasse sogar Kitsch. Banksy reflektiert offenbar diese Zusammenhänge und spielt damit, indem er eigene Arbeiten je nach Kontext zitiert und abwandelt. Bei seiner Kunstaktion in der Westbank ließ Banksy das Mädchen an einem großen Bündel Luftballone über die unüberwindlich hohe Betonmauer schweben.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
You have got to be kidding me..

Den plötzlichen Wandel vom unerbittlich von der Polizei gejagten Spraydosen-Vandalen zum arrivierten Künstler hat schon so manch andrer nicht verkraftet. Banksys Arbeiten erzielen inzwischen ansehnliche Preise auf dem Kunstmarkt, und er versucht, trotz seiner Berühmtheit seine Unabhängigkeit zu bewahren, indem er sich sarkastisch-ironisch mit den Absurditäten des Kunstbetriebs auseinandersetzt. So hängte er mehrfach heimlich und unerkannt eigene provizierende Arbeiten in Kunstausstellungen und Museen.

Im Film „Exit Through the Gift Shop“ schuf er mit Thierry Guetta, alias „Mr. Brainwash“ so etwas wie eine real existierende Kunstfigur, einen Andy Warhol der Graffitiszene, der jetzt den Kunstmarkt inflationär mit seinen Arbeiten überschwemmt, die gerüchteweise in Wahrheit vom inzwischen hochdotierten Banksy selbst stammen, was sammelnden Investoren eine hohe Rendite verspricht (oder auch nicht).

Was ist Original, was ist Fälschung, was ist Realität und was ist Fiktion? Natürlich ist alles exakt so, wie es im Film dokumentiert ist. Und jedes Bild lügt. Hier ist jemand am Werke, der sich den Gesetzen der Märkte entziehen will.

Wer sich über Banksy informieren möchte, dem sei weniger der etwas ungelenke Artikel in der deutschen Wikipedia empfohlen, sondern eher das sehr viel bessere englische Original.

Von Banksy gibt es eine eigene Seite, von der auch die Abbildungen dieses Beitrages stammen. Unabhängig davon lohnt sich ein Blick auf eine inoffizielle Seite mit vielen Fotos und einen Blog auf der Website artofthestate. Über den Film „Exit Through the Gift Shop“ informiert die offizielle Website und der englische Wikipedia-Artikel.

 

Kapuzenwesen (2)

Das im Beitrag vom 30.1.2012 gewürdigte Kapuzenwesen hatte in der Hafenstadt mehrere Verwandte. Sie sind zwar in gänzlich anderer Technik ausgeführt, weisen aber eine frappante Ähnlichkeit auf. Ich weiß selbstverständlich nicht, ob sie von der selben Künstlerin oder dem selben Künstler stammen oder ob der eine Künstler den anderen nur zitiert.

Foto (c) Hafenstaedter 8/2008
Kapuzenwesen auf der Gefängnismauer, August 2008

Die erste Aufnahme stammt aus dem August 2008. Damals tauchte dieses Kapuzenwesen an der Gefängnismauer an der Landgerichtsstraße auf. Es wurde allerdings schon nach kurzer Zeit entfernt. Ich nehme an, der Grund war die hohe Verletzungsgefahr für über die Mauer kletternde Häftlinge.

Foto (c) Hafenstaedter 6/2010
Kapuzenwesen, Börsenstraße, Juni 2010

Auf der zweiten Aufnahme aus dem Juni 2010 sieht man ein Kapuzenwesen an der Börsenstraße / Ecke Claubergstraße. Wind und Wetter haben ihm im Laufe der Jahre arg zugesetzt und jemand hat offenbar vergeblich versucht es zu zerstören. Man erkennt, wie kunstvoll es in mehreren Schichten aus Holz gefertigt wurde.

Foto (c) Hafenstaedter 6/2010
Kapuzenwesen, Stadtbibliothek, Juni 2010

Das dritte Kapuzenwesen ist ebenfalls im Juni 2010 aufgenommen. Die Ausführung ist fast identisch mit der Variante an der Gefängnismauer. Es hängt vor der Witterung geschützt und deshalb gut erhalten an der Fassade der Stadtbibliothek und kann auch heute noch besichtigt werden.

Das sollte man allerdings sofort tun. Wie ich bereits am 3.2.2012 berichtete, ist das Gebäude von einem Zaun und einem Gerüst umgeben, und es droht entweder der Abriss der Stadtbibliothek oder doch zumindest eine Zerstörung des Kunstwerks durch eine Fassadenübertünchung. Das wird auch die kunstverständige Bibliotheksführung vermutlich nicht verhindern können. Über Kunst darf in Duisburg nur entscheiden, wer von Kunst nichts versteht.

Wenn Sie also das letzte erhaltene Kapuzenwesen mit eigenen Augen betrachten wollen, müssen Sie sich beeilen!

Auf dem Foto ist übrigens auch ein Werk des Blumensprayers zu sehen. Aber dazu kommen wir noch…

Gebrauchtwagen

Foto (c) Hafenstaedter
Gebrauchtwagen, DU-Hochfeld, Oktober 2008

Informationen aus Polizeikreisen zufolge soll es sich bei der Buchstabenfolge ACAB um eine Abkürzung für den Spruch „All Cops Are Bastards“ handeln.

Diese Interpretation ist möglich. Völlig abwegig ist allerdings die u.a. vom bayerischen Verfassungsschutz verbreitete Behauptung, es handle sich dabei um eine linke Parole. Die drastische Antipathie gegenüber der Polizei ist in der gesamten Bevölkerung weit verbreitet und nicht nur bei den Linken.

Warum nur, warum?

Akute Unfallgefahr im Hochfelder Rheinpark

Rheinpark DU-Hochfeld, Foto (c) Hafenstaedter
Unfallschwerpunkt Rheinpark, DU-Hochfeld, Februar 2012

Die Initiative Du it yourself wies kürzlich zu Recht auf die eklatanten Sicherheitsmängel in der Duisburger Innenstadt hin.

Doch nicht nur die Duisburger Innenstadt ist betroffen. Auch im Hochfelder Rheinpark sind Leib und Leben der Besucherinnen und Besucher massiv gefährdet. Das Ordnungsamt hat es unverantwortlich lange versäumt, hier beherzt einzuschreiten.

Einen ersten Schritt zu mehr Sicherheit hat man nun endlich vollzogen. Sitzbänke ohne Rückenlehne und Sicherheitsgurt bedeuten akute Unfallgefahr. In der Stadt der Zäune weiß man, wie man solch ein Problem löst.

Bravo! Weiter so!

Schwimmflügel bei Regen!

 

Foto 1.2.2012 (c) Hafenstaedter
Schwimmflügel bei Regen - Stadtbibliothek Duisburg, 1. Februar 2012

Die Halbkugeln vor der Stadtbibliothek, auf denen die Kinder mit großer Begeisterung herumklettern, sind seit einigen Wochen durch einen Zaun versperrt. Der erfahrene Hafenstädter denkt sich sofort: Da muss wohl wieder mal das Ordnungsamt zugeschlagen haben. Vergnügte Kinder mitten in der Einkaufsmeile und dann auch noch ganz ohne Eintrittsgeld, das ist ein zu hohes Risiko.

Schließlich trägt Duisburg seit dem 24. Juli 2010 den Ehrentitel „Stadt der Zäune“. Hätte man damals die massenhaft in die Stadt einfallenden Jugendlichen nicht mit solchen Zäunen eingepfercht wie Vieh, dann hätte wer weiß was passieren können.

Als ich am Mittwoch an der Stadtbibliothek vorbeikam, staunte ich nicht schlecht. Jemand – und wer anderes als das Ordnungsamt könnte das gewesen sein? – hatte Schilder angebracht:

„Obacht!“,
„Sicherheit Sicherheit Sicherheit“,
„Häuserecken abrunden – Sicherheit schaffen“
„Schwimmflügel bei Regen“.

Angesichts der Haushaltssperre positiv anzumerken ist, dass die Schilder allem Anschein nach von den Beamten handgemalt wurden. So viel Fürsorge und selbstlose Einsatzbereitschaft findet man heutzutage nur noch in der Duisburger Stadtverwaltung.

Etwas beunruhigt hat mich dann aber doch, dass nun auch das Gebäude der Stadtbibliothek mit einem Gerüst umgeben ist. Es muss wohl so sein, dass hier bereits mit dem Abriss begonnen wurde. Sicher war es längst überfällig, dieses Schandmal aus einer längst vergangenen sozialistischen Epoche aus dem Stadtbild zu tilgen. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach umsonst Bücher lesen kann? Solch ein rechtsfreier Raum darf nicht geduldet werden. Aber hätte man die Beschäftigten der Stadtbibliothek nicht vorher evakuieren können? Ach was! Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.

Eine dringende Forderung bleibt aber unverzichtbar: Das Schwimmflügelgebot bei Regen muss ab sofort konsequent und unerbittlich durchgesetzt werden. Wenn es um die Sicherheit geht, gilt in Duisburg Null Toleranz!

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