raketEn stop

Was Sie hier sehen, ist ein Dokument der Zeitgeschichte und sollte unter Denkmalschutz gestellt werden.

Foto (c) Hafenstaedter 2012
"raketEn stop" Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, Januar 2012

Auf einem der Pfeiler des Eisenbahnviadukts in DU-Rheinhausen sieht man stark verblasst, aber immer noch deutlich sichtbar ein zwei Meter großes „E“. Das ist der letzte erhalten gebliebene Buchstabe eines Monumental-Graffitos. Der Text lautete einmal: „R-A-K-E-T-E-N  S-T-O-P“. Heute mutet der Inhalt harmlos an. 1980, als das Graffito vermutlich entstand, war das anders.

Jaja, das war noch die gute alte Zeit, als die Ostermärsche noch richtige Ostermärsche waren… Nein, das war noch ein paar Jahre vorher.

Die Friedensbewegung gab es schon, und sie wuchs, aber in der veröffentlichten Meinung existierte sie nicht. Alle Redaktionen in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen waren sich einig: darüber berichten wir möglichst gar nicht oder – wenn es sich nicht vermeiden lässt, warnen wir die Bevölkerung vor den Agenten des Feindes, linksextremen Gewalttätern oder (bestenfalls) vor weltfremden Weltverbesserern. Solche Medienkonformität findet man heute nur noch, wenn Deutschland gerade mal wieder beginnt, sich an einem neuen Krieg zu beteiligen.

Wer sich damals allzu stark für die Friedensbewegung engagierte, riskierte etwas. Sozialdemokraten wurden aus ihrer Partei ausgeschlossen (damals gab es noch Sozialdemokraten in der SPD). Briefträger, Lockführer und Lehrer setzten ihre berufliche Existenz auf’s Spiel.

Das scheinbar so harmlose Graffito „R-A-K-E-T-E-N  S-T-O-P“ markierte damals einen scharfen Dissens, der von unten kam und sich gegen das gesamte Establishment richtete.

Foto (c) Hafenstaedter 2012
Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, Januar 2012

Wer die Rheinbrücke zwischen Hochfeld und Rheinhausen überquerte (heute trägt sie den Namen „Brücke der Solidarität“) und nach Süden blickte, konnte die riesige Parole nicht übersehen. Die einen freuten sich, die anderen ärgerten sich, die dritten wunderten sich. So soll es sein.

Deshalb sollte man das „E“ unter Denkmalschutz stellen. Zur Mahnung und Anregung für kommende Generationen.

 

Ich Liebe Dich

Foto (c): Hafenstaedter, März 2012
"Ich Liebe Dich", Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, März 2012

Du bist gemeint, Du weißt schon.

loslassen

Graffito let go., DU-Wanheimerort, Foto (c) Hafenstaedter 2012
"let go." Graffito, DU-Wanheimerort, 2012

Dieses Sprühschablonen-Graffito findet der aufmerksame Beobachter (vielen Dank an Margarete Unverzagt für den freundlichen Hinweis!) in Duisburg-Wanheimerort am ehemaligen Luftschutzbunker Eschenstraße, Ecke Nikolaistraße.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich um eine bekannte Protestikone: der einsame, mutige, starke Streetfighter (fast immer männlich), der vor der Front einen Stein oder einen Brandsatz in Richtung der übermächtigen Polizei schleudert. In solchen Abbildungen vermengen sich Ästhetisierung von Gewalt, männliches Gepose aber auch das Motiv David gegen Goliath.

Bemerkenswerterweise wird von der Gegenseite, also z.B. von der BILD-Zeitung, genau dasselbe Bildmotiv verwendet, um bei den Lesern Bedrohungsgefühle zu wecken. Der im Foto festgehaltene zeitlich und räumlich eng begrenzte Moment wird aus dem Kontext gelöst und zum Symbol vermeintlicher bürgerkriegsähnlicher Verhältnisse gemacht. Auch hier findet eine Ästhetisierung der Gewalt statt. Oft werden in den Hintergrund brennende Fahrzeuge montiert, bei denen man mit Photoshop nachhilft, damit die Flammen schön kräftig orange lodern und der Qualm schön schwarz gen Himmel steigt. Oft habe ich den Eindruck, dass in Deutschland am Rande der im Vergleich zu anderen Ländern sehr, sehr friedlich ablaufenden Demonstrationen nur deshalb Autos angezündet werden, um beiden Seiten solche Bilder zu liefern.

Doch zurück zu unserem Graffito. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass es sich bei der abgebildeten Person nicht um den allseits bekannten Streetfighter handelt, sondern dass mit diesem Motiv nur gespielt wird. Seine Körperhaltung ist nicht die eines Werfers. Er fängt etwas auf, oder er versucht etwas mit Gedankenkraft zu steuern, oder er lässt etwas los. Die Bildunterschrift „let go.“ deutet auf letztere Variante.

Doch was wurde da losgelassen? Es schwebt vor der Person in der Luft, aber es ist nicht genau zu erkennen. Handelt es sich vielleicht doch um den Brandsatz der Protestikone? Dann züngeln die Flammen aber in die falsche Richtung und der Brandsatz fliegt auf die Person zu. Ist die abgebildete Person ein Wahnsinniger, der glaubt, einen brennenden Molotowcocktail lässig im Fluge auffangen zu können? Nein, es muss sich um einen anderen Gegenstand handeln. Wahrscheinlich überlässt der Künstler das der Phantasie des Betrachters.

Ich meine jedenfalls, wir sehen dort eine schwebende, spitze Schreibfeder. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass mir persönlich der Kampf mit der Feder sehr viel mehr zusagt als der Kampf mit den Fäusten.

Von Banksy gibt es übrigens auch eine ganze Reihe von verfremdeten Streetfighter-Ikonen. Bei ihm werfen die Straßenkämpfer mit Blumensträußen. Doch sowas darf man vielleicht in England. In Deutschland würde ein Blumenwurf in Richtung gutgepanzerter Polizisten sicher als Mordversuch gewertet.

Banksy

Wer sich mit politischer Graffiti-Kunst beschäftigt, stößt früher oder später auf Banksy. Und wem dieser Name nichts sagt, der sollte seine Wissenslücke schleunigst schließen.

Banksy ist das Pseudonym eines Graffitikünstlers, der vermutlich 1974 in Bristol geboren wurde und seit Ende der 1980er Jahre aktiv ist. Viele seiner Arbeiten sind inzwischen weltweit bekannt, und auch Graffiti-Künstler aus der Hafenstadt sind von Banksy beeinflusst.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
If graffiti changed anything – it would be illegal

Diese Arbeit nimmt Bezug auf die anarchistische Parole „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten“, die übrigens ursprünglich von Emma Goldman stammt.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
This’ll look nice when its framed

Aussage und Wirkung von Kunst ändern sich mit dem Kontext. Das trifft auch auf Banksys Arbeiten zu. So ist sein Mädchen mit davonfiegendem Luftballon auf einer Mauer in einem „Stadtteil mit erhöhtem Erneuerungsbedarf“ ein politisches Statement, gerahmt in einem Museum aber ziemlich banal und als Abbildung auf einer Sammeltasse sogar Kitsch. Banksy reflektiert offenbar diese Zusammenhänge und spielt damit, indem er eigene Arbeiten je nach Kontext zitiert und abwandelt. Bei seiner Kunstaktion in der Westbank ließ Banksy das Mädchen an einem großen Bündel Luftballone über die unüberwindlich hohe Betonmauer schweben.

Quelle: http://www.banksy.co.uk/
You have got to be kidding me..

Den plötzlichen Wandel vom unerbittlich von der Polizei gejagten Spraydosen-Vandalen zum arrivierten Künstler hat schon so manch andrer nicht verkraftet. Banksys Arbeiten erzielen inzwischen ansehnliche Preise auf dem Kunstmarkt, und er versucht, trotz seiner Berühmtheit seine Unabhängigkeit zu bewahren, indem er sich sarkastisch-ironisch mit den Absurditäten des Kunstbetriebs auseinandersetzt. So hängte er mehrfach heimlich und unerkannt eigene provizierende Arbeiten in Kunstausstellungen und Museen.

Im Film „Exit Through the Gift Shop“ schuf er mit Thierry Guetta, alias „Mr. Brainwash“ so etwas wie eine real existierende Kunstfigur, einen Andy Warhol der Graffitiszene, der jetzt den Kunstmarkt inflationär mit seinen Arbeiten überschwemmt, die gerüchteweise in Wahrheit vom inzwischen hochdotierten Banksy selbst stammen, was sammelnden Investoren eine hohe Rendite verspricht (oder auch nicht).

Was ist Original, was ist Fälschung, was ist Realität und was ist Fiktion? Natürlich ist alles exakt so, wie es im Film dokumentiert ist. Und jedes Bild lügt. Hier ist jemand am Werke, der sich den Gesetzen der Märkte entziehen will.

Wer sich über Banksy informieren möchte, dem sei weniger der etwas ungelenke Artikel in der deutschen Wikipedia empfohlen, sondern eher das sehr viel bessere englische Original.

Von Banksy gibt es eine eigene Seite, von der auch die Abbildungen dieses Beitrages stammen. Unabhängig davon lohnt sich ein Blick auf eine inoffizielle Seite mit vielen Fotos und einen Blog auf der Website artofthestate. Über den Film „Exit Through the Gift Shop“ informiert die offizielle Website und der englische Wikipedia-Artikel.

 

Kapuzenwesen (1)

Foto (c) Hafenstaedter, Juli 2010
Kapuzenwesen, Eisenbahnunterführung Koloniestraße, Juli 2010

Bei diesem Kunstwerk fällt zunächst einmal die ungewöhnliche Technik auf: sauberes Tuch auf abgasverschmutzter Kachel. Aufgenommen wurde das Foto im Juli 2010. Erstaunlich ist, dass das Bild trotz der fragilen Machart erhalten blieb und auch heute noch, Ende Januar 2012, im Koloniestraßen-Tunnel am Hauptbahnhof bewundert werden kann.

Dem Künstler gelingt es, beim Rezipienten Reflektionen über das Für und Wider des Einsatzes von Gewalt in politischen Auseinandersetzungen auszulösen, und er bedient sich dabei überaus gekonnt der Mittel der Abstraktion und der Sublimation. Wie in jedem echten Kunstwerk findet der aufmerksame Betrachter auch in diesem Werk Witz und Mehrdeutigkeit.

http://de.wikisource.org/wiki/Der_Struwwelpeter/Die_gar_traurige_Geschichte_mit_dem_Feuerzeug
Doch Minz und Maunz, die Katzen, Erheben ihre Tatzen. Sie drohen mit den Pfoten: »Die Mutter hat’s verboten! Miau! Mio! Miau! Mio! Wirf’s weg! Sonst brennst du lichterloh!«

Wie anders ist  sonst die unübersehbare Anspielung auf Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter zu deuten? In dem Kapitel Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug hantiert Paulinchen ganz ähnlich wie das Kapuzenwesen mit brennenden Zündhölzern und ignoriert die Warnungen der obrigkeitstreuen Katzen Minz und Maunz. – Ob unsere Geschichte am Ende gut oder böse ausgeht, lässt der Künstler ganz im Gegensatz zu Hoffmann offen. Über die künstlerische und pädagogische Qualität des Struwwelpeter lässt sich also trefflich streiten, über die des Wandbildes nicht.

Unverkennbare Bezugspunkte sind mittelalterliche Mariendarstellungen, die russische Matrjoschka-Tradition, sowie der mitteleuropäische Rumpelstilzchen-Mythos, aber auch aktuelle Kontroversen über abendländische Bekleidungsvorschriften. Die Arbeit reiht sich somit ein in die nicht zuletzt von Johann Wolfgang von Goethe begründete, ehrwürdige Tradition des künstlerischen Brückenschlags zwischen West und Ost, zwischen Abend- und Morgenland.

Die Stadt Duisburg muss das übersehen haben. Fast der ganze Koloniestraßen-Tunnel wurde kürzlich abgerissen, nur der Abschnitt mit dem Wandbild blieb unversehrt. Hätte sie den kulturellen Wert des Bildes erkannt, wäre es sicher umgekehrt.

Das Duisburger Trinkwasserproblem

Aufmerksame Leserinnen bemerkten die Andeutung in meinem vorigen Beitrag, einige Gute Geister hätten den Verstand verloren.

Das betrifft in Duisburg leider nicht nur einige, sondern viele. Fast jede Absurdität, die die deutsche Linke hervorbringt, präsentiert sich in Duisburg noch absurder als man es in den kühnsten Albträumen für möglich hält. Duisburg bewirbt sich mit Erfolg um den Titel Hauptstadt des linken Wahnsinns, selbst die Konkurrenz aus Hamburg hat da keine Chance. Zwischen esoterischem Antiimperialismus und adornitischem McCarthyismus bleibt kein Raum für einen einzigen vernünftigen Gedanken. Raum bleibt stattdessen für bizarre Phänomene wie den Irren von Neudorf , die Schall-und-Rauch Bandbreite und www.kommunisten-amrandedesnervernzusammenbruchs.de.

Mehrere unabhängige Beobachter konstatierten in Bezug auf den Duisburger Sonderweg der deutschen Linken: „Es muss am Trinkwasser liegen!“

(Für diese Diagnose spricht, dass das Duisburg-Syndrom längst nicht mehr auf die politische Linke beschränkt ist. Es würde mich nicht wundern, wenn auf Veranstaltungen der Duisburger Christdemokraten alle Teilnehmer zu Anfang erst einmal ein Glas unabgekochtes Leitungswasser auf Ex trinken müssten.)

All das soll aber auf diesem Blog kein Thema sein. Es sei denn, die Grenzen zwischen links und rechts werden überschritten – und das trifft leider auf beide Fraktionen immer wieder zu.

Grafitti, Neudorf, Januar 2012, Foto (c) hafenstaedter
"Pacman, friss den ganzen Unsinn weg!" Neudorf, Januar 2012

Das Elend der Duisburger Linken schlägt sich auch auf den Häuserwänden nieder. Diese Garagenwand sagt uns, in Duisburg musst Du Dich als Linker entscheiden: Bist Du für einen Kreuzzug für Israel oder bist Du für einen Kreuzzug gegen Israel?

Aufnahme in diesem Blog findet das Foto wegen des kleinen, grünen Sprühschablonen-Pacmans, der dabei zu sein scheint, den ganzen Unsinn wegzufressen. Da hat er sich viel vorgenommen.

Was der Mensch wirklich braucht: Kaffee, Strickzeug, Tatü-Kissen

„Du glaubst es kaum, in Duisburg wird gerade ein Haus besetzt! Das sind wieder die jungen Leute von Du it yourself (Twitter), die von der Nackttanzdemo. Und sie haben ein eigenes Blog dazu eingerichtet. Sie sind jetzt in einer leerstehenden Schule in Laar und wollen eine Woche bleiben. Ein Veranstaltungsprogramm haben sie auch schon erstellt: Aktionswoche ‚Leerstand beleben‘.“

Ich las vor:

„Tatsächlich bietet es sich an die Räume allen zur Verfügung zu stellen, die eine Idee verwirklichen wollen. Sei es vom gemeinsamen Basteln, Strickkurs, …“

Ich wurde unterbrochen:

„Strickkurs?! – Da müssen wir hin!“

So hat also die Twitterrevolution, die im Maghreb ihren Ursprung nahm, nun auch uns erfasst.

Ein selbstverwaltetes Kulturzentrum in Laar wäre eine tolle Sache. Der einzige Nachteil: der Stadtteil liegt nördlich der Ruhr. Wenn die Stadt Duisburg demnächst auf die Idee kommt, in einem neuen Leuchtturm-Projekt die Brücken zu sanieren, wäre Laar anschließend auf Dauer nur noch per Fähre erreichbar. Aber vielleicht haben wir ja Glück und für die Brücken ist nicht die Stadt, sondern das Land oder der Bund zuständig? Na ja, eine Woche lang werden sie wohl noch halten.

„Soll ich mein Tatü-Kissen mitnehmen?“ – „Lieber nicht, Polizisten verstehen keinen Spaß“ – „Ach Du Dummer, das Kissen ist doch nicht für die Polizisten! Unter den jungen Leuten ist doch vielleicht einer, der schon mal schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, und wenn die dann kommen, dann braucht er ein Tatü-Kissen.“

Abbildung: Tatü-Kissen. Tatü ganz ohne Tata.
Abbildung: Tatü-Kissen. Tatü ganz ohne Tata.

„Gut, wir nehmen ein Tatü-Kissen mit, Strickzeug und Thermoskannen mit ganz frischem, heißem, köstlichem Kaffee.“

Wir machten uns also auf die lange Reise in den Duisburger Norden, die Straßenbahn schaffte es so gerade im Schritttempo über die Brücke, und schließlich kamen wir in Laar an.

„Da vorne muss es sein, da parken gleich drei Polizeiwagen.“ Kamen wir zu spät? War die besetzte Schule vielleicht schon geräumt? Im Dunkel der Toreinfahrt stand eine Gestalt. Eine Taschenlampe blitzte auf. Die Gestalt bewegte sich auf uns zu und sprach uns an. „Gehören Sie auch zu der Gesellschaft?“ sagte der Polizeibeamte in höflichem Ton. „Wir wollen den jungen Leuten ein Schlücksken heißen Kaffee bringen.“ – „Ja, dann benutzen Sie bitte nicht diesen Eingang hier vorne, sondern gehen dort gerade durch und dann links“, sagte er und leuchtete uns zuvorkommend den Weg mit seiner Taschenlampe.

Wir waren am Ziel und wurden von den jungen Hausbesetzern sofort willkommen geheißen. Sie hatten in der kurzen Zeit beeindruckendes geleistet. Die Fußböden waren gesäubert und blitz-blank nass gewischt (mit richtig gutem Putzmittel, wie die Fachfrau feststellte). Für Licht war gesorgt, es gab bequeme Sofas, und die Vorbereitungen für eine Party waren in vollem Gange. Diesen freundlichen jungen Leuten ist ohne weiteres zuzutrauen, dass sie solch ein Projekt auch auf Dauer mit Bravour managen, – wenn die Stadt Duisburg sie nur lässt.

Die Räumlichkeiten in der Schule wären ideal. Sie wurde vor drei, vier Jahren von der Stadt aufwändig saniert und bald danach geschlossen (so macht man das in Duisburg) und stand seither leer. Schöne, große Klassenräume, die tagsüber angenehm hell sein dürften, auf drei Etagen. Weitgehend intakte sanitäre Anlagen, Strom, Wasser, Heizung, was will man mehr?

Platz wäre genug. Wir gerieten in’s Schwärmen. Vielleicht könnte man in einem der Räume sogar ein Atelier einrichten für Outsiderkünstler, die mit den ganzen Schicki-Micki-Gentrifizierungs-Heinis nichts am Hut haben?

Das ginge schon, – wenn es denn nicht die Stadt Duisburg gäbe. Seit der Loveparade schiebt man in der Stadtverwaltung Dienst nach Vorschrift. Das bedeutet insbesondere für das Ordnungsamt: bei nichtkommerziellen Projekten muss jede Vorschrift zu hundert Prozent eingehalten werden und der Ermessensspielraum wird zu null Prozent ausgeschöpft. Schließlich muss man doch die Duisburger Bürger dafür bestrafen, dass sie immer noch keine Ruhe geben.

Mit dem Erscheinen der Vertreter der Stadt änderte sich das Bild schlagartig. Die höflichen Polizisten verschwanden, stattdessen marschierte eine Hundertschaft auf und besetzte als erstes die oberen Stockwerke einschließlich der Toiletten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie intakt (vgl. die befremdliche Presseerklärung der Duisburger Polizei).

Unsere Eltern haben uns noch erzählt, wenn jemand auf der Straße eine Sturmhaube aufhat und es ist kein Motorradfahrer im Winter, dann ist das ein Gangster, der nicht erkannt werden will. Heute gilt das nicht mehr. Polizisten setzen sich Sturmhauben auf, wenn sie befürchten einen Befehl zu bekommen, für dessen Ausführung sie sich später schämen müssten, – so reimte ich mir das jedenfalls zusammen. Auffällig viele in besagter Hundertschaft wollten ihr Gesicht jedenfalls nicht zeigen.

Der Gegensatz zwischen den friedlichen, freundlichen jungen Leuten und der martialischen Staatsmacht könnte größer nicht sein. Jetzt waren wir froh, dass wir unser Tatü-Kissen dabei hatten. Es kam dann aber doch nicht zum Einsatz, denn die Maskierten hatten noch keinen Befehl, ruppig zu sein. Ohne Befehl standen sie orientierungslos in der Gegend herum, und die Borg ließen uns passieren ohne Versuch uns zu assimilieren.

Wir haben uns bei den Besetzern wohl gefühlt. Das nächste mal sind wir wieder dabei.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner