Vierundzwanzigster Juli 2010

Heute vor zwei Jahren starben in Duisburg einundzwanzig Menschen bei der Loveparade-Katastrophe.

Hafenstaedter-Fotos vom Juli und August 2010:

Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Foto (c) Hafenstaedter 2010Für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das jeweilige Foto klicken.

Strickgraffito: Der Baumfisch

Foto Hafenstaedter (c) 2012
Der Baumfisch. Rheinhausen, Mai 2010
Foto Hafenstaedter (c) 2012
Der Baumfisch. Rheinhausen, Juni 2011
Foto Hafenstaedter (c) 2012
Der Baumfisch. Rheinhausen, Mai 2012

„Der Baumfisch ist bekanntlich eng mit dem Chamäleon verwandt.“
Charles Darwin: Das Variieren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, S. 712

Die sexuelle Erregung der Duisbourgeoisie

Der nackte David vor dem Lehmbruckmuseum sei „eine Skulptur des Anstoßes„, schreibt heute die WAZ.

Mit einer Holzlatte, so wird vermutet, schlugen Vandalen in der Nacht zum 21. Juni der anderthalb Tonnen schweren Figur gezielt zwischen die Beine. Seitdem ist David eines Gutteils seiner sichtbaren Männlichkeit beraubt. […]
es gibt fünf bis sechs Einschläge von Steinwürfen, die ebenfalls erhebliche Schäden angerichtet haben. Dazu noch zwei bis drei weitere, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.

 

Die sexuelle Erregung der Duisbourgeoisie hat Tradition. 1927 wurde in Duisburg die Kniende von Wilhelm Lehmbruck geschändet. Der Schriftsteller Erich Weinert schrieb damals dieses Gedicht.

 

Erich Weinert

Duisburger Bilderstürmer

Sie sahen ein nacktes Mädchen knien.
Das war natürlich aus Bronze.
Sie hatten Tod und Verderben gespien
In einer Protestannonce.
Der Vaterländische Frauenverein,
Als Abwehrfront gegen Schweinerein,
Marschierte hinaus zum Parke,
Von Sitteneifer durchbebt,
Und hat eine Wohlfahrtsmarke
ihm unter den Bauch geklebt.

Und täglich standen Vereine herum
Von seminaristischen Tanten,
Kulturbärten aus dem Gymnasium
Und Seelsorgepraktikanten.
Und mancher, der zuviel Anstoß nahm,
Sehr angestoßen nach Hause kam.
Ein Fräulein aus dem Lyzeum,
Das hängt dem ehernen Bild
Ein Badetuch aus Frotte um.
Der Busen machte es wild.

Ein Schutzmann, der nahm das Denkmal in Schutz
Da sah man Hutnadeln drohen:
Will uns der Stadtrat mit diesem Schmutz
Noch weiter sittlich verrohen?
Dann griff man zu einem dustern Komplott.
Ein beherzter Ritter zog aus mit Gott
Bei Nacht, mit dem Mute der Reinheit,
Als ginge es zum Fememord,
Und hauten der nackten Gemeinheit
Die Extremitäten fort.

Nun wird der sittenstarke Chirurg.
Der Held des flanellenen Eros,
In den Kaffeekränzchen von Duisburg
Zum lorbeerisierten Heros.
Und Nacktheit wird öffentlich überhaupt
Nur noch in öffentlichen Häusern erlaubt.
So endete die Bewegung,
Und auch die Harmonie
Die sexuelle Erregung
Der Duisbourgeoisie.

 

Zitiert nach: Salzmann, Siegfried: “Hinweg mit der ‘Knienden’”. Ein Beitrag zur Geschichte des Kunstskandals, Duisburg: Museumsverein Duisburg e.V. 1981 (2., unveränderte Auflage).

Bewegung in einer stehenden Stadt

Am ersten Juni gab es wieder eine Nachttanzdemo in der Hafenstadt, und selbstverständlich waren wir wieder dabei.

An den Forderungen hat sich nicht viel geändert. Zwar hat die Hafenstadt es geschafft, den Duisburger Oberbürgermeister aus dem Amt zu jagen, an der Spitze der Verwaltung hat sich dadurch aber nichts gebessert.

Die jungen Leute von DU it yourself! fordern ein unabhängiges Kulturzentrum in der Hafenstadt. Dabei geht es nicht einmal um eine finanzielle Unterstützung, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Sie fordern Aufgabe der Blockadepolitik der Verwaltung und Hilfestellung bei der Erfüllung von Auflagen wie Lärm- und Brandschutz. Das ist alles. Und man fragt sich verwundert, warum die Stadt Duisburg nicht sofort zugreift und stattdessen jeden ernsthaften Dialog verweigert.

Doch zum Glück lassen sich die jungen Leute nicht zermürben und verbittern, sie haben einen langen Atem.

In der Hafenstadt haben sich sieben Initiativen zu einem Bündnis zusammengeschlossen unter dem Namen DU erhät(st) Kultur. Und im neugegründeten Netzwerk X bahnt sich eine Zusammenarbeit mit Initiativen in anderen Ruhrgebietsstädten an. Für Ende Juni ist in der Hafenstadt eine dreitägige Konferenz Recht auf Stadt geplant (22.-24.6.2012, Gemeindehaus Duisburg-Ruhrort).

Nachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterNachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterNachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterDie Nachttanzdemo war noch größer als im Vorjahr; ich schätze achthundert Leute, vielleicht sogar noch mehr. Das Motto auf dem Fronttransparent: „Für mehr Bewegung in einer stehenden Stadt“.

Zwei Musikwagen, ein Wagen vom Netzwerk X mit Livemusik, ein Punk-Bollerwagen und eine Sambatruppe.

Schilder in Spruchblasenform: „Sinn injizieren“, „Pfff“, „Umarmung ist die beste Waffe“, „Rette mich“, „Hier ist es immernoch Scheiße!“ „Revolution ohne Scheiß“, „???“, „Akzeptierende schweigende Masse“, „Herdentier“, „Küss mich“, „Et knallt“.

Transparente an den Wagen:  „Wir wollen kein Stück vom Kuchen, sondern das Rezept verändern“. „Der Unterschied zwischen unseren Städten & Joghurt ist, dass Joghurt aktive lebendige Kulturen enthält“. „Vielfältige Kultur und Recht auf Stadt in Duisburg und überall“. „Alle für die Kunst“. „Für eine Welt, in der einfach alle Platz haben“.

Nachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterNachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterNachttanzdemo 1.6.2012. Foto: Hafenstaedter

Nachttanzdemo 1.6.2012. Foto: HafenstaedterDie Polizei hielt sich im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten sehr zurück und beschränkte sich darauf den Verkehr zu regeln. Deshalb blieb alles entspannt, friedlich und fröhlich.

In Hochfeld bestaunten (ganz anders als in den öden Straßenzügen der Stadtmitte) zahlreiche Anwohner den Demonstrationszug. Ganze Familien hatten sich neugierig am offenen Fenster versammelt. Ein solcher fröhlicher Umzug war eine willkommene Abwechslung, auch wenn die meisten das Anliegen der Demonstration nicht mitbekommen haben dürften. Musik und Auftreten vermitteln aber auch eine Botschaft. Kinder winkten, Passanten lächelten. Kein vernünftiger Mensch, sondern allenfalls ein Extremismusforscher brächte es fertig, eine linksradikale Sambatrommel und eine Marschtrommel der Neonazis zu velwechsern.

Ich kann sogar bezeugen, dass es Anwohner gab, die die Musik hörten und sich tatsächlich spontan dem Demonstrationszug anschlossen. Das erzählten sie mir während der Abschlusskundgebung auf dem Platz vor der Pauluskirche. Die endete pünktlich um zweiundzwanzig Uhr; mit den Auflagen nimmt man es sehr genau in Duisburg. Schade.

Das nächste mal sind wir wieder dabei.

 

 

P.S.: Weitere Berichte zur Nachttanzdemo:

* Artikel in der WAZ (30.5.2012): „DU it yourself“ demonstriert weiter für ein soziokulturelles Zentrum in Duisburg
* Interview auf dem Blog Ruhrbarone (30.5.2012): Interview zur Duisburger Nachttanzdemo: “Man bleibt hier gerne alten Mustern treu”
* Mitschnitt eines Radiointerviews auf Funkhaus Europa
* Auf youtube findet man auf dem Kanal von 1206Dirk fünf schöne Videos von der Nachttanzdemo und drei vom Flashmob Netzwerk X
* Presseerklärung von DU it youself (3.6.2012): 2. Nachttanzdemo am 1. Juni 2012 erfolgreich und bunt
* Ein weiteres gutes Video
* Rheinische Post (4.6.2012): Duisburg: „Nachttanzdemo“ für mehr Kultur in der Stadt
* WAZ (5.4.2012): Nachttanzdemo für ein unabhängiges Kulturzentrum in Duisburg

 

P.P.S.: Zu den Fotos:

1. Die Gesichter der Abgebildeten sind nachträglich bearbeitet.
2. Alle Uhren am Duisburger Hauptbahnhof blieben schon vor ein paar Tagen um 47 Minuten nach 12 stehen. Wie passend! Stehende Uhren in einer stehenden Stadt. Die Nachttanzdemo begann selbstverständlich nicht Mittags, sondern erst um 19 Uhr.

 

Bewegung in einer stehenden Stadt

Am ersten Juni gab es wieder eine Nachttanzdemo in der Hafenstadt, und selbstverständlich waren wir wieder dabei.
An den Forderungen hat sich nicht viel geändert. Zwar hat die Hafenstadt es geschafft, den Duisburger Oberbürgermeister aus dem Amt zu jagen, an der Spitze der Verwaltung hat sich dadurch aber nichts geändert.
Die jungen Leute fordern ein unabhängiges Kulturzentrum in der Hafenstadt. Dabei geht es nicht einmal um eine finanzielle Unterstützung, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Sie fordern Aufgabe der Blockadepolitik der Verwaltung und Hilfestellung bei der Erfüllung von Auflagen wie Lärm- und Brandschutz. Das ist alles. Und man fragt sich verwundert, warum die Stadt Duisburg nicht sofort zugreift und stattdessen jeden ernsthaften Dialog verweigert.
Doch zum Glück lassen sich die jungen Leute nicht zermürben und verbittern, sie haben einen langen Atem.
In der Hafenstadt haben sich sieben Initiativen zu einem Bündnis zusammengeschlossen unter dem Namen „DU erhät(st) Kultur“ [link]. Und im neugegründeten Netzwerk X [link] bahnt sich eine Zusammenarbeit mit Initiativen in anderen Ruhrgebietsstädten an. Für Ende Juni ist eine dreitägige Konferenz Recht auf Stadt in der Hafenstadt geplant (22.-24.6.2012, Gemeindehaus Duisburg-Ruhrort)[link].

Die Nachttanzdemo war noch größer als im Vorjahr; ich schätze achthundert, vielleicht sogar tausend Leute. Das Motto auf dem Fronttransparent: „Für mehr Bewegung in einer stehenden Stadt“.
Zwei Musikwagen, ein Wagen vom Netzwerk X mit Livemusik, ein Punk-Bollerwagen und eine Sambatruppe.
Schilder in Spruchblasenform: „Sinn injizieren“, „Pfff“, „Umarmung ist die beste Waffe“, „Rette mich“, „Hier ist es immernoch Scheiße!“ „Revolution ohne Scheiß“, „???“, „Akzeptierende schweigende Masse“, „Herdentier“, „Küss mich“, „Et knallt“.
Transparente an den Wagen: „Der Unterschied zwischen unseren Städten & Joghurt ist, das Joghurt aktive lebendige Kulturen enthält.“ „Vielfältige Kultur und Recht auf Stadt in Duisburg und überall“. „Alle für die Kunst“
Die Polizei hielt sich im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten sehr zurück und beschränkte sich darauf, den Verkehr zu regeln. Deshalb blieb alles entspannt, friedlich und fröhlich.
In Hochfeld bestaunten (im Gegensatz zu den Straßenzügen in Stadtmitte) zahlreiche Anwohner den Demonstrationszug. Ganze Familien hatten sich neugierig am offenen Fenster versammelt. Ein solcher fröhlicher Umzug war eine willkommene Abwechslung, auch wenn die meisten das Anliegen der Demonstration nicht mitbekommen haben dürften. Musik und Auftreten vermittelten aber auch eine Botschaft. Kinder winkten, Passanten lächelten. Kein vernünftiger Mensch, sondern allenfalls ein Extremismusforscher brächte es fertig, eine linksradikale Sambatrommel mit einer Marschtrommel der Neonazis gleichzusetzen.
Einen konkreten Fall kann ich sogar bezeugen, dass Anwohner die Musik hörten und sich tatsächlich spontan entschlossen, sich dem Demonstrationszug anzuschließen. Das erzählten sie mir während der Abschlusskundgebung auf dem Platz vor der Pauluskirche. Die endete pünktlich schon um zehn Uhr; mit den Auflagen nimmt man es genau in Duisburg. Schade.
Das nächste mal sind wir wieder dabei.Bewegung in einer stehenden Stadt

 

Am ersten Juni gab es wieder eine Nachttanzdemo in der Hafenstadt, und selbstverständlich waren wir wieder dabei.

An den Forderungen hat sich nicht viel geändert. Zwar hat die Hafenstadt es geschafft, den Duisburger Oberbürgermeister aus dem Amt zu jagen, an der Spitze der Verwaltung hat sich dadurch aber nichts geändert.

Die jungen Leute fordern ein unabhängiges Kulturzentrum in der Hafenstadt. Dabei geht es nicht einmal um eine finanzielle Unterstützung, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Sie fordern Aufgabe der Blockadepolitik der Verwaltung und Hilfestellung bei der Erfüllung von Auflagen wie Lärm- und Brandschutz. Das ist alles. Und man fragt sich verwundert, warum die Stadt Duisburg nicht sofort zugreift und stattdessen jeden ernsthaften Dialog verweigert.

Doch zum Glück lassen sich die jungen Leute nicht zermürben und verbittern, sie haben einen langen Atem.

In der Hafenstadt haben sich sieben Initiativen zu einem Bündnis zusammengeschlossen unter dem Namen „DU erhät(st) Kultur“ [link]. Und im neugegründeten Netzwerk X [link] bahnt sich eine Zusammenarbeit mit Initiativen in anderen Ruhrgebietsstädten an. Für Ende Juni ist eine dreitägige Konferenz Recht auf Stadt in der Hafenstadt geplant (22.-24.6.2012, Gemeindehaus Duisburg-Ruhrort)[link].

 

Die Nachttanzdemo war noch größer als im Vorjahr; ich schätze achthundert, vielleicht sogar tausend Leute. Das Motto auf dem Fronttransparent: „Für mehr Bewegung in einer stehenden Stadt“.

Zwei Musikwagen, ein Wagen vom Netzwerk X mit Livemusik, ein Punk-Bollerwagen und eine Sambatruppe.

Schilder in Spruchblasenform: „Sinn injizieren“, „Pfff“, „Umarmung ist die beste Waffe“, „Rette mich“, „Hier ist es immernoch Scheiße!“ „Revolution ohne Scheiß“, „???“, „Akzeptierende schweigende Masse“, „Herdentier“, „Küss mich“, „Et knallt“.

Transparente an den Wagen: „Der Unterschied zwischen unseren Städten & Joghurt ist, das Joghurt aktive lebendige Kulturen enthält.“ „Vielfältige Kultur und Recht auf Stadt in Duisburg und überall“. „Alle für die Kunst“

Die Polizei hielt sich im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten sehr zurück und beschränkte sich darauf, den Verkehr zu regeln. Deshalb blieb alles entspannt, friedlich und fröhlich.

In Hochfeld bestaunten (im Gegensatz zu den Straßenzügen in Stadtmitte) zahlreiche Anwohner den Demonstrationszug. Ganze Familien hatten sich neugierig am offenen Fenster versammelt. Ein solcher fröhlicher Umzug war eine willkommene Abwechslung, auch wenn die meisten das Anliegen der Demonstration nicht mitbekommen haben dürften. Musik und Auftreten vermittelten aber auch eine Botschaft. Kinder winkten, Passanten lächelten. Kein vernünftiger Mensch, sondern allenfalls ein Extremismusforscher brächte es fertig, eine linksradikale Sambatrommel mit einer Marschtrommel der Neonazis gleichzusetzen.

Einen konkreten Fall kann ich sogar bezeugen, dass Anwohner die Musik hörten und sich tatsächlich spontan entschlossen, sich dem Demonstrationszug anzuschließen. Das erzählten sie mir während der Abschlusskundgebung auf dem Platz vor der Pauluskirche. Die endete pünktlich schon um zehn Uhr; mit den Auflagen nimmt man es genau in Duisburg. Schade.

Das nächste mal sind wir wieder dabei.

Interview zur Duisburger Nachttanzdemo: “Man bleibt hier gerne alten Mustern treu”
in der Hafenstadt

„Wir wollen kein Stück vom Kuchen, sondern das Rezept verändern“.

Der weiße Wal

Foto (c) Hafenstaedter 2012
Der weiße Wal. Papiergraffito, DU-Hochfeld, April 2012

Ein Papiergraffito auf einem Stromkasten in Hochfeld. Man beachte die wunderschönen Tattoos des weißen Wales.

In der Hafenstadt ist die Erinnerung immer noch wach an den weißen Wal, der am 18. Mai 1966 plötzlich im Rhein auftauchte. Zoodirektor Wolfgang Gewalt jagte den Wal wochenlang vergeblich und wurde von den Hafenstaedtern als Kapitän Ahab verspottet. Am 16. Juni 1966 verließ der weiße Wal den (damals noch giftigen und stinkenden) Rhein siegreich in Richtung Nordsee.

 

Glotzenköppe

Foto (c) Hafenstaedter 2012
Graffito, Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, März 2012

Und hier gleich noch ein weiteres Graffito auf dem Eisenbahnviadukt in DU-Rheinhausen. Herr und Frau Einschaltquote. Deren Horizont bestimmt unser Fernsehprogramm.

Das Motiv findet man auch in verschiedenen Varianten bei Banksy. Schauen Sie sich einmal das hier an: klicken Sie HIER.

Foto (c) Hafenstaedter 2012
Schablonengraffiti, DU-Neudorf, Februar 2012

In der Hafenstadt ist der kulturelle Untergrund erfreulicherweise schon so weit gediehen, dass verschiedene Künstler das selbe Thema unabhängig voneinander bearbeiten. Hier sehen Sie Sprühschablonen-Graffiti mit einem Glotzenkopp, die in DU-Neudorf für Irritation sorgen.

raketEn stop

Was Sie hier sehen, ist ein Dokument der Zeitgeschichte und sollte unter Denkmalschutz gestellt werden.

Foto (c) Hafenstaedter 2012
"raketEn stop" Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, Januar 2012

Auf einem der Pfeiler des Eisenbahnviadukts in DU-Rheinhausen sieht man stark verblasst, aber immer noch deutlich sichtbar ein zwei Meter großes „E“. Das ist der letzte erhalten gebliebene Buchstabe eines Monumental-Graffitos. Der Text lautete einmal: „R-A-K-E-T-E-N  S-T-O-P“. Heute mutet der Inhalt harmlos an. 1980, als das Graffito vermutlich entstand, war das anders.

Jaja, das war noch die gute alte Zeit, als die Ostermärsche noch richtige Ostermärsche waren… Nein, das war noch ein paar Jahre vorher.

Die Friedensbewegung gab es schon, und sie wuchs, aber in der veröffentlichten Meinung existierte sie nicht. Alle Redaktionen in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen waren sich einig: darüber berichten wir möglichst gar nicht oder – wenn es sich nicht vermeiden lässt, warnen wir die Bevölkerung vor den Agenten des Feindes, linksextremen Gewalttätern oder (bestenfalls) vor weltfremden Weltverbesserern. Solche Medienkonformität findet man heute nur noch, wenn Deutschland gerade mal wieder beginnt, sich an einem neuen Krieg zu beteiligen.

Wer sich damals allzu stark für die Friedensbewegung engagierte, riskierte etwas. Sozialdemokraten wurden aus ihrer Partei ausgeschlossen (damals gab es noch Sozialdemokraten in der SPD). Briefträger, Lockführer und Lehrer setzten ihre berufliche Existenz auf’s Spiel.

Das scheinbar so harmlose Graffito „R-A-K-E-T-E-N  S-T-O-P“ markierte damals einen scharfen Dissens, der von unten kam und sich gegen das gesamte Establishment richtete.

Foto (c) Hafenstaedter 2012
Eisenbahnviadukt DU-Rheinhausen, Januar 2012

Wer die Rheinbrücke zwischen Hochfeld und Rheinhausen überquerte (heute trägt sie den Namen „Brücke der Solidarität“) und nach Süden blickte, konnte die riesige Parole nicht übersehen. Die einen freuten sich, die anderen ärgerten sich, die dritten wunderten sich. So soll es sein.

Deshalb sollte man das „E“ unter Denkmalschutz stellen. Zur Mahnung und Anregung für kommende Generationen.

 

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